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Methoden der Sozialraumorientierung: Unspezifische Netzwerkarbeit und Gemeindebegehung

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Sozialraumorientierung ist ein Konzept der Sozialarbeit, das für unterschiedliche Themen, Problemstellungen und Zielgruppen verwendbar ist. Immer geht es darum, Menschen in Problemlagen nicht auszusondern, sondern für sie eine Lösung im Sozialraum zu finden. Nachbarn und Mitbürger werden aktiv in diese Lösungen einbezogen, Netzwerke und soziale Ressourcen genutzt. Die Verknüpfung von nachbarschaftlicher bzw. kollegialer Unterstützung und professionaler Beratung macht den Verbleib in der Gemeinde auch dort möglich, wo sonst Heimunterbringung oder die Unterbringung in einer Behinderteneinrichtung unausweichlich schien. In diesem Newsletter stellen wir zwei Methoden vor, die auch im Zusammenhang mit Vermittlungen in den Arbeitsmarkt einsetzbar sind und von Fachdiensten genutzt werden, die auf dem Konzept der Sozialraumorientierung fußen.

Unspezifische Netzwerkarbeit - „Wir nutzen alle Möglichkeiten, die es für uns gibt“

Bei Fachdiensten, die sich der Sozialraumorientierung verschrieben haben, sind alle Mitarbeiter Netzwerker. Die Suche nach Arbeitsplätzen beginnt nicht erst, wenn der Teilnehmer feststeht und ein Praktikum akquiriert werden muss, sondern schon sehr viel früher. Die Integrationsbegleiter knüpfen permanent Kontakte in der Region und arbeiten an der Bewusstseinsbildung für ihr Anliegen. Jeder nutzt für seine Arbeit auch seine privaten und halbdienstlichen Kontakte und erweitert sie gezielt, um seine Teilnehmer zu vermitteln.

Ein Beispiel für dieses Vorgehen gibt Integrationsbegleiter Michael Meyer (Alle Namen in diesem Beitrag sind geändert): „Ich bin u.a. zuständig für die Gemeinde Löwenberg, ein Ort mit etwa 5.000 Einwohnern. Dort haben wir bisher noch keinen Beschäftigten vermitteln können. Ich habe gezielt mit der Behindertenbeauftragten des Orts Kontakt aufgenommen. Sie war sehr offen für mein Anliegen, zumal sie früher in der Förderschule gearbeitet hat und etliche Teilnehmer noch als Schüler kannte. Sie verfügt über gute Kontakte zum Gemeinderat und zum Bürgermeister, sitzt in entsprechenden Arbeitskreisen und hat damit auch Kontakte zu Firmen. Ich habe für sie eine Powerpoint-Präsentation erstellt, habe ihr Materialien mit anschaulichen Praxisbeispielen über unsere Arbeit gegeben. Sie versprach, sich in allgemeiner Form und natürlich bei speziellem Vermittlungsbedarf für uns einzusetzen. Ihr Interesse war es aber auch, ihre eigenen Themen einzubringen, an denen wir mit unseren Möglichkeiten mitwirken sollten.“

Dieses Beispiel eines eher offiziell geprägten Kontakts ergänzt Inge Neuner mit einem Beispiel von Netzwerkarbeit aus ihrem privaten Bereich. „Aus meiner früheren Tätigkeit als Bankkauffrau kannte ich den Filialleiter einer Bank, der in seinem Ort auch zweiter Bürgermeister ist. Wir trafen uns zufällig in einer Gaststätte und kamen ins Gespräch. Er ist sozial sehr engagiert und wollte den Fachdienst gerne unterstützen. Für mich ist er in diesem Ort jetzt ein wichtiger Ansprechpartner, vermittelt uns Kontakte zu Firmen und gelegentlich auch einen Praktikumsplatz. Ich halte den Kontakt zu ihm gezielt aufrecht und nutze diese Möglichkeit für meine Teilnehmer.“

Diese Verquickung von privatem und dienstlichem Engagement ist typisch für das Sozialraum-Vorgehen. Jeder Mitarbeiter bringt sein eigenes Netzwerk ein, alle wissen voneinander, wer wo wen kennt, pflegen darüber einen engen Austausch im Team. Inge Neuner erläutert: „Jeder hat eine eigene Art, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Das muss jeder so handhaben, wie es ihm liegt.“

Einige Fachdienste, die über ausreichend personelle Kapazitäten verfügen, schaffen regionale Zuständigkeiten. Die Mitarbeiter decken die Regionen des Einzugsbereichs durchgängig ab und knüpfen dort ihr persönliches Netzwerk. Neben dieser regionalen Zuständigkeit gibt es zum Teil noch eine zweite Aufteilung, die sich auf Branchen bezieht, mit Spezialisten für Kindergärten, Bauhöfe, Metallbetriebe und so weiter. Diese Zuständigkeit ergibt sich meist von selbst, sie ist nicht verordnet, oft nicht einmal in Listen erfasst.

Eine besondere Form unspezifischer Netzarbeit hat Integrationsbegleiter Georg Brandt entwickelt. Er verfasst gemeinsam mit der Bezugsperson im Betrieb regelmäßig Artikel über die Entwicklung seines Beschäftigten Mike Zeise für das Amtsblatt der Gemeinde. Das wird kostenlos an alle Haushalte geliefert und die Reaktionen zeigen, dass sehr viele Einwohner diese kleine Kolumne lesen.

Gemeindebegehung - „Sie öffnet das Umfeld und schafft Vertrauen“

Die Gemeindebegehung ist eine Methode, um einen Teilnehmer besser kennenzulernen, ihn in seinem häuslichen Umfeld zu erleben, zu schauen, zu welchen Orten er eine besondere Beziehung hat und die damit verknüpften Personen zu entdecken. Auch um zu sehen, welche Orte er meidet oder welche angstbesetzt sind. Ein weiterer Effekt besteht darin, neue Kontakte herzustellen und Personen für das Netzwerk zu finden.

Ein Beispiel nennt Georg Brandt. Er hat mit Alexander Jork dessen Heimatort begangen und berichtet: „Wir starteten bei seinem Elternhaus. In der vertrauten Umgebung übernahm er schnell die Führungsrolle. Ich sah, dass sein Aktionsradius relativ eng ist. Er kannte einige Gastwirtschaften, die Kirche, den Bäcker, das Rathaus und hatte gute Kontakte in der Gemeinde. Teilweise kannte er Leute, die mir selbst unbekannt waren, obwohl ich auch in diesem Ort wohne. Er klingelte an Haustüren und stellte mich seinen Bekannten vor. Auf diese Weise habe ich eine Reihe neuer Bezugspersonen kennengelernt. Einige der Freizeitangebote und der damit verbundenen Vereine kannte er, andere nicht. Den Sportplatz z.B. ließ er komplett außer acht. Auch der Bahnhof war außerhalb seines Reviers. Er hatte aber für mich insofern eine Bedeutung, weil er Alexanders Möglichkeiten, sich im Umkreis zu bewegen, erweiterte. Auch Ängste und durchlebte Negativerfahrungen wurden sichtbar und ich konnte sie mit ihm thematisieren. Die Begehung hatte unmittelbare Auswirkungen. Wir haben auf diese Weise einen Reiterhof gefunden, bei dem er heute arbeitet.“

Auch Inge Neuner, die gemeinsam mit Jakob Geiger eine Gemeindebegehung durchgeführt hat, berichtet von einem solchen Erfolg. „Jakob zeigte mir das Rathaus und die Eisdiele, allerdings nicht den Jugendtreff, weil er dorthin keinen Bezug hatte. Er führte mich zum Baumarkt, zum Pferdehof und schließlich zum Friedhof, auf dem sein Vater gearbeitet hat und stellte mir dort den Bauhof-Mitarbeiter vor, zu dem er einen engen Kontakt hat. Aus dieser Begehung ergaben sich Praktika sowohl im Pferdehof als auch im Bauhof. Im Bauhof hat er mittlerweile seinen Arbeitsplatz gefunden und der Bauhof-Mitarbeiter, den er mir vorstellte, ist seine Bezugsperson. Die Gemeindebegehung ist für uns eine Öffnung in das sozialräumliche Umfeld, es dient der Netzwerkarbeit und auch der Vertrauensbildung.“



Veranstaltungen
Jahrestagung des Vereins UN-Konventionell e.V.
Information, Arbeitsplatzakquise, Haltungsänderung


Materialien
Auf unserer Internetseite finden Sie einen Beitrag des Vereins zur Sozialraumorientierung, der im Handbuch der Bundesvereinigung Lebenshilfe: Teilhabe und Arbeit. Ergänzbares Handbuch zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderung erschienen ist.

Wir sehen uns in Frankfurt!
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