Die Arbeit in einem Kindergarten bzw. einer Kindertagesstätte steht in der Wunschliste von Werkstattbeschäftigten, die auf den Arbeitsmarkt wechseln wollen, mit an der Spitze. Wie stehen die Chancen, diesen Wunsch zu realisieren? Welche Besonderheiten hat dieses Arbeitsfeld, welche Möglichkeiten, welche Probleme beinhaltet es? Wir sprachen darüber mit Anne Reichert von den Iserlohner Werkstätten und mit Michael Schumann von der Lebenshilfe Braunschweig. Beide leiten einen Fachdienst für betriebliche Integration in ihrer Werkstatt. Die Lebenshilfe Braunschweig hat auch einen eigenen Qualifizierungsgang "Helfer in Kindertageseinrichtungen“ aufgelegt.
Interesse für das Arbeitsfeld
Beide Gesprächspartner bestätigten uns, dass das Interesse für das Arbeitsfeld vor allem bei jungen Frauen groß ist. Allerdings verläuft dieses Interesse zum Teil in Wellen, wahrscheinlich abhängig auch von Vermittlungserfolgen, die sich in der WfbM herumsprechen. Im sozialen Bereich und speziell mit Kindern zu arbeiten, ist ein Berufswunsch vor allem junger Frauen, der sich in der Werkstatt kaum realisieren lässt.
Tätigkeiten
In der Realität sind die HelferInnen in Kindertagesstätten nur bedingt in der direkten Betreuung von Kindern tätig. Meist sind dies Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Essensversorgung, also gemeinsame Speisenzubereitung oder Hilfestellung beim Essen, Angebote im Bastel- und Kreativbereich, Unterstützung beim Spazierengehen etc.. Häufig liegen die Aufgaben aber auch im hauswirtschaftlichen Bereich, also in der Küche, beim Spülen, bei der Getränkeversorgung etc, was aber im Arbeitsumfeld Kita immer auch einen engen Kontakt zu Kindern mit sich bringt. Anne Reichert schätzt das Verhältnis von Arbeitsstellen mit pädagogischen Aufgaben zu rein hauswirtschaftlichen Tätigkeiten auf 50 zu 50. Michael Schumann nennt noch ein drittes Aufgabenfeld im Kita-Bereich: Den des Hausmeisterhelfers. Hier liegen die Tätigkeiten u.a. in der Garten- und Anlagenpflege.
Anforderungen
Beide Gesprächspartner stimmen darin überein, dass sich die Realität der Arbeit im Kindergarten gelegentlich nicht mit den Erwartungen der InteressentInnen deckt, so dass sie diesen Berufswunsch wieder aufgeben. Der Grund liegt in einem mangelnden Rollenverständnis. Anne Reichert berichtet beispielsweise von einem jungen Mann, der mit dem Arbeitsfeld Kindergarten seine glückliche Kindheit assoziierte und sich mit den Kindern gemeinsam in das Spiel vertiefte, ohne eine pädagogische Haltung oder Distanz zu entwickeln. Die Erwartung des Personals ist es aber, dass sie durch die zusätzliche Arbeitskraft entlastet werden und nicht "ein weiteres Kind“ in ihrer Gruppe haben, das sie ebenfalls betreuen müssen. Selbständigkeit und Zuverlässigkeit sind auch in diesem Arbeitsfeld wichtige Kriterien, insbesondere bei angespannter Personalsituation. Ein Gegenbeispiel, ebenfalls aus der Lebenshilfe Braunschweig, ist eine junge Frau, die als Kollegin im Kitateam ihren Platz gefunden hat, weil sie Spezialistin für bestimmte Beschäftigungen geworden ist. Ihre Spezialität ist das Schminken, das sich bei den Kindern großer Beliebtheit erfreut. Diese Frau hat die Unterstützung einer heilpädagogisch ausgebildeten Kollegin, die sich ihr von Beginn an annahm. Mittlerweile hat sie über das Budget für Arbeit einen festen, tariflich bezahlten Arbeitsplatz im Team gefunden.
Zugänglichkeit
Die grundsätzliche Bereitschaft der Kindergärten und Kindertagesstätten, eine Person mit Behinderung einzustellen, ist hoch. Das Personal ist sozial engagiert, dem Inklusionsgedanken aufgeschlossen und nimmt eine solche Herausforderung gerne an. Unentgeltliche Praktikums- oder BBB-Plätze sind daher in der Regel kaum problematisch. Schwieriger wird es bei einer dauerhaften Anstellung auf einem Außenarbeitsplatz. Für Tätigkeiten außerhalb des Stellenschlüssels ist sehr oft kein eigenes Budget vorhanden. Steht der Kindergarten in kommunaler Trägerschaft und ist die Inklusion politisch gewollt, lässt sich schon einmal eine Lösung durch den Zugriff auf externe Mittel finden. Bei kirchlicher Trägerschaft ist dies meist schwieriger. Wenn es doch gelingt, liegen die Entgelte deutlich niedriger als bei Arbeitsplätzen in mittelständischen Betrieben. Gelegentlich gleichen Werkstätten diese Differenz nach dem Solidaritätsprinzip an. Michael Schumann berichtet, dass in Braunschweig eine Anstellung über das Budget für Arbeit den Trägern im Einzelfall weniger Schwierigkeiten machte als die Finanzierung eines Außenarbeitsplatzes. Mit einer Festanstellung gehören die Beschäftigten in das reguläre Tarifgefüge und der Minderleistungszuschuss von bis zu 70 Prozent rechtfertigt die Übernahme. Anne Reichert stößt bei dieser Variante allerdings auf die Hürde, dass für eine Anstellung eine formale Qualifikation erforderlich ist, die die Werkstattbeschäftigten in der Regel nicht vorweisen können.
Elternvorbehalte
Eine andere Hürde macht den Braunschweiger KollegInnen den Zugang zu bestimmten Kindergärten schwer. Es handelt sich um die Einrichtungen, die aus Elterninitiativen entstanden sind und wo die Eltern weiterhin großen Einfluss auf die Personalauswahl nehmen. Hier sind die Vorbehalte gegen "BetreuerInnen mit Behinderung“ so stark, dass kaum ein Arbeitsverhältnis zustande kommt. Wo Werkstattbeschäftigte über längere Zeit zum Team gehören, verkehren sich diese Bedenken oft ins Gegenteil und die Eltern sehen die Arbeit von "Mitarbeitern mit Behinderung“ als Gewinn.
Auswirkungen der integrativen Beschäftigung auf die Kinder und auf den Träger
Für die Kinder hat die Zugehörigkeit von Werkstattbeschäftigten zum Betreuerteam zum Teil einen ungeahnten Effekt. Sie erleben sie als Erwachsene und Betreuer, die weniger pädagogisch auftreten und ihnen damit näherstehen als die ausgebildeten Erzieherinnen und Erzieher. Diese Zwischenebene kann als entlastend wahrgenommen werden. Ganz nebenbei und ohne dass sie es benannt bekommen oder selber benennen können, machen sie eine direkte und positive Erfahrung mit dem Thema Behinderung. Auch das Betreuerteam möchte oft ihre "MitarbeiterInnen mit Einschränkung“ nach einiger Zeit nicht mehr missen. In der Arbeitsteilung des Teams haben sie ihren festen Platz gefunden. Arbeitsverhältnisse sind nach einer Stabilisierungsphase oft sehr dauerhaft und benötigen zum Teil nur noch wenig Unterstützung seitens der Werkstatt. Während der Stabilisierungsphase ist der Arbeitsaufwand der Jobcoachs trotz des Engagements des Kita-Personals aber nicht geringer als in anderen Betrieben. Manche Kitas nutzen eine gelungene Integration von Werkstattbeschäftigten auch in ihrer Öffentlichkeitsarbeit.
Qualifizierungsgänge
Die Braunschweiger haben, wie anfangs erwähnt, einen eigenen Qualifizierungsgang "Helfer in Kindertageseinrichtungen“ entwickelt. Er ist konzipiert für den Übergang aus dem BBB und dem Arbeitsbereich, und dauert ein Jahr. Er ergänzt die praktische Qualifizierung im Kindergarten und bietet Fachtheorie, überwiegend vermittelt durch externe Honorarkräfte in Kooperation mit dem Fachdienst der Werkstatt. Zu den Inhalten gehören u.a. hauswirtschaftliche Grundkenntnisse, Personal- und Arbeitshygiene, Arbeitssicherheit, Erste Hilfe am Kind, Kommunikation mit Kindern und Stressbewältigung, sowie praktische Schulungen wie Kreativ mit Kindern, Kochen und Backen für Kinder, Märchen- und Geschichten und eine Verkehrsschulung. Die Iserlohner haben einen Rahmenbildungsplan erstellt, der sich an dem Ausbildungsberuf der Erzieherin orientiert und die Grundlage bietet für die Bildungs- und Qualifizierungsangebote in der Begleitung. Je nach Aufgabenschwerpunkt und persönlichen Fähigkeiten werden die Inhalte des Rahmenbildungsplanes in der praktischen Anleitung hinzugezogen. Kitahelfer absolvieren zudem häufig das Sozialkompetenz-Training FIT FOR LIFE.
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