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"Inklusion machen wir dann nach Corona"

Die Themen dieses Newsletters
  1. Corona-Krise und betriebsintegrierte Arbeitsplätze: Rückblick auf ein Jahr mit dem Virus
  2. Zweites Online-Diskussionsforum im Februar
  3. Jahrestagung 2021: Auch diesmal als Online-Veranstaltung
  4. Mitgliederversammlung 2021

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

unser Titelthema in diesem Newsletter dreht sich – natürlich – um die "Coronakrise". Seit einem Jahr hält uns die Pandemie in Atem. Schon der erste Lockdown traf uns alle komplett unvorbereitet. Für Werkstätten hieß das damals: Betretungsverbote, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderung durften nicht arbeiten. Und das galt auch in einigen, aber nicht allen Bundesländern für jene Mitarbeiter auf betriebsintegrierten Arbeitsplätzen.

Was haben Jobcoachs und Dienste aus dieser Zeit mitgenommen, was hat ihre Arbeit bis heute verändert und wie begegnen sie dem erneuten Lockdown, der seit November zunächst in der Version "light" und nun doch schärfer angeordnet ist?

Wir haben bei vier Einrichtungen in verschiedenen Bundesländern nachgefragt, kurzes Fazit: Von "Inklusion machen wir nach Corona" bis "Eigentlich läuft jetzt alles normal" reichen die Einschätzungen. Lesen Sie selbst!


Nordrhein-Westfalen
Marita Buskühl, Gemeinnützige Werkstätten Köln GmbH

Karte Nordrhein-Westfalen
Copyright Wikipedia, CC Lizenz

Zu Beginn der ersten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie fühlten sich die Werkstatten in NRW sehr "vergessen". Prinzipiell hat sich daran auch im Laufe des Jahres nichts geändert. Bis zum 20. April 2020 hatten die Werkstätten ein Betretungsverbot. Unsere 268 Beschäftigten auf den betriebsintegrierten Arbeitsplätzen (BiAps) durften weiterarbeiten, wenn ihr Betrieb geöffnet blieb. Die Mehrheit hat sich darüber sehr gefreut, die Menschen fühlten sich als systemrelevant dazugehörig. Andere fanden weniger lustig, dass WfbM-Beschäftigte und von Betriebsschließungen Betroffene bei vollem Lohnausgleich zu Hause bleiben durften. Beschäftigte in "Heimarbeit" erhielten Lern- und Arbeitspakete. Ganz deutlich wurde die große Bedeutung der Jobcoachs: Sie mussten Kontakt halten, Gespräche anbieten, Unsicherheiten und Fragen der Unternehmen klären und, falls ein Besuch im Betrieb nicht möglich oder nur sehr eingeschränkt möglich war, kreative Lösungen für die Unterstützung und Begleitung am Arbeitsplatz finden. Vor allem der Unterricht, die begleitenden Maßnahmen als Gruppenangebote fehlten sehr, die Belastungen innerhalb der Familien oder das Gefühl des "Eingesperrtseins" im Wohnheim waren problematisch. Wir haben Kreativsets mit Anleitung erstellt und wenn die Objekte fertig waren, wurden Fotos gemacht und dann ausgetauscht.

Unser großer Nachholbedarf an digitaler Ausstattung und entsprechendem Know-how war offensichtlich. Sicherlich eine Lehre daraus: Wir werden künftig verstärkt in Ausstattung und Schulungen der Beschäftigten investieren. Aber man muss dranbleiben, damit die Notwendigkeit der weiteren Digitalisierung nicht im Alltagstrott untergeht.

Jetzt ist die Situation eine andere: Trotz Lockdown sind die Werkstätten geöffnet und alle BiAps besetzt, wenn der Betrieb nicht geschlossen sein muss. Das betrifft vor allem die Gastronomie, das Catering, Veranstaltungen, Hotels und Jugendherbergen. Die Lage ist zurzeit deutlich entspannter als im Frühjahr 2020, weil viele unserer BiAps-Beschäftigten als systemrelevant gelten. In Seniorenheimen werden sie regelmäßig getestet und auch auf Wunsch geimpft. Nur 25 unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können zurzeit nicht in ihren Betrieben arbeiten. Für sie haben wir ihren Interessen gemäß andere Praktika gefunden mit der Chance auf Übernahme auf einen BiAp. Für viele ist eine Rückkehr in die Werkstatt nicht denkbar: Das bleibt die Ausnahme.

Richtig weggebrochen sind zum Glück bislang nur sehr wenige Arbeitsplätze. Viele Arbeitgeber, die ihren Betrieb schließen mussten, haben uns versichert, dass sie in gar keinem Fall auf die BiAps-Mitarbeiter verzichten wollen, wenn sie ihren Betrieb wieder hochfahren. Zurzeit bekommen wir viele Anfragen für BiAps in den Bereichen Einzelhandel und Kita, die wir nicht besetzen können. Insgesamt haben viele Arbeitgeber einen hohen Krankenstand. Sie sind froh über unsere Unterstützung und haben oftmals unsere Hygiene- und Schutzkonzepte gleich für ihre gesamte Belegschaft übernommen. Wir haben mit den Betrieben auch geänderte Arbeitszeiten vereinbart, damit die BiAps-Mitarbeiter nicht zu Stoßzeiten in Bus und Bahn sitzen müssen. Die Jobcoachs stehen unter einer extrem hohen Belastung, sie sind Ansprechpartner für die Betriebe, ihre Klienten und auch deren Eltern, für Stationsassistenten etc. und das unter erschwerten Besuchsregelungen, aufwendiger Dokumentation und Gefährdungsbeurteilung.

Bis vor kurzem galt: Unternehmen, die Kurzarbeit angemeldet haben, durften unsere Mitarbeiter nicht weiter beschäftigen. Ansonsten hätten sie das Kurzarbeitergeld für die sv-pflichtigen Beschäftigten nicht in Anspruch nehmen können. Weil BiAps nur als arbeitnehmerähnliche Beschäftigung gelten, waren unsere Mitarbeiter die ersten, die wieder gehen mussten, selbst wenn sie dringend benötigt wurden. Inzwischen aber hat uns die Arbeitsagentur mitgeteilt, dass unsere Mitarbeiter auf BiAps in Betrieben mit Kurzarbeit weiter anwesend sein dürfen. Jetzt bleibt nur noch mit den Betrieben zu klären, ob auch Lohn gezahlt werden kann.

Trotz Krise ist vieles machbar: Gerade ist es uns gelungen, mit Förderung durch Aktion Mensch e.V. und gemeinsam mit einer Kölner Werkstatt und einem Wohnungsunternehmen einen Unterstützungsservice für Anwohner – unter anderem ein Einkaufsservice und Begleitung zu Arztterminen – in einem Kölner Stadtteil zu etablieren. Aber es zeigt sich auch, dass alle Beteiligten den zweiten Lockdown als deutlich belastender, ermüdender empfinden als den ersten. Zeit, um Kraft zu sammeln, gibt es kaum.


Hessen
Hans-Günter Kripko, Marc Scheiding, Hephata Hessisches Diakoniezentrum e.V., Schwalmstadt:

Karte Hessen
Copyright Wikipedia, CC Lizenz

Auch in Hessen galt im ersten Lockdown ein Betretungsverbot für Werkstätten, aber die BiB, die betriebsintegrierten Beschäftigungsplätze, waren ausgenommen. Nur zwölf unserer ca. 50 Klientinnen und Klienten konnten nicht arbeiten, weil sie entweder zu einer Risikogruppe gehörten oder die Betriebe unsicher im Umgang mit der Krise waren. Wir haben in und mit den Betrieben die Sicherheitskonzepte geprüft, um sicherzustellen, dass ein ausreichender Infektionsschutz für unsere Klienten vorhanden ist. Nach und nach konnten sie alle ihre Arbeit wieder aufnehmen. Nur einen BiB mussten wir aufgeben, das hatte sich aber vor Corona bereits angedeutet. Außerdem wechselte eine BiB-Mitarbeiterin in eine Ausbildung zur Altenpflegehelferin. Letztlich ist bei uns keine Gruppe der WfbM so gut durch die erste Krise gekommen wie die BiBler. Die Betriebe sind insgesamt sehr bemüht, unsere Klienten zu behalten, sie gelten als unverzichtbar und systemrelevant. Im Sommer war es auch bei uns wie wohl überall relativ entspannt.

Als mit der zweiten Welle Ende Oktober vor allem Seniorenheime immer stärker betroffen waren, gab es schon große Ängste unter den BiBlern, wieder zu Hause bleiben zu müssen. Die Arbeitgeber aber wollten nicht auf sie verzichten, zumal ja auch Pflegerinnen und Pfleger in Quarantäne ausfielen. Sie haben Tests angeboten und wir haben ein Betretungsverbot für Bewohnerzimmer ausgesprochen. Im Frühjahr und im Herbst hatten wir je einen Positivfall unter den BiBlern.

Anders als in der ersten Welle waren wir im Herbst kommunikativ besser aufgestellt und konnten auch besser mit der Krise umgehen. Die Jobcoachs sind täglich mit ihren Klienten in Kontakt. Auch wenn wir in der Regel die Betriebe nicht betreten, finden die Treffen doch vor der Tür statt: Wenn irgend möglich organisieren wir face-to-face-Kontakte. Sonst muss es übers Diensthandy gehen. In der Gastronomie haben wir wenig Klienten. Nur bei den Schulkantinen ist für uns unklar, wann und wie sie wieder öffnen. Und wenn Arbeitsplätze vorübergehend wegfallen, gehen die BiBler übergangsweise in die Werkstatt. Die sie gern schnell wieder verlassen wollen. Die Akquise läuft weiter, und Anfragen aus Betrieben gibt es auch. In der ersten Corona-Welle stagnierte die Zahl unserer Praktika. Ab Sommer haben wir sie wieder aufnehmen und auch wieder neue BiB-Plätze umsetzen können. Es hat sich gezeigt: Wir sind etabliert.

Unser Leistungsträger, der LWV, hat dementsprechend die Kostenzusagen konstant weiter aufrechterhalten. Wenn unsere Klienten nicht in ihren BiB-Plätzen waren, konnten wir die Löhne dennoch weiterbezahlen. Das ist für uns ein wichtiges Thema: Wir wollen Sicherheit für unsere Klienten. Dass sie aufgrund von beantragtem Kurzarbeitergeld ihre BiB-Plätze verlassen mussten, hat uns nicht betroffen. Das liegt an dem Mix unserer Kooperationsbetriebe: viele Arbeitsplätze in personennahen Dienstleistungen wie in Seniorenheimen, bei Kommunen, vielen Mittelständlern oder auch auf Pferdehöfen etc.

In der täglichen Arbeit veränderten sich zwar die Abläufe bei den Jobcoachs, aber insgesamt hat sich die Grundstruktur doch als stabil erwiesen. Wir sind insgesamt nicht unzufrieden mit der Situation in Hessen. Wir haben sogar in der dicksten Krise noch ins Budget für Arbeit vermitteln können. Natürlich blieben Absagen von Praktika nicht aus. Die werden aber, sobald es geht, nachgeholt. Ebenso hat der LWV die Zielvereinbarungen für 2020 bis Ende 2021 nach hinten verschoben.

Inzwischen haben BiBler in Seniorenheimen bereits ihre Impfungen erhalten. Ansonsten werden unsere Klienten wohl mit der zweiten Staffel, vielleicht schon im April beginnend, geimpft. Eventuell kann das über die Werkstatt organisiert und die BiBler gleich eingebunden werden.

Ein wirklich beherrschendes Thema sind Bonuszahlungen, die das festangestellte Pflegepersonal in Seniorenzentren manchmal bekommt. Unsere Klienten fragen in diesem Zusammenhang, wie denn die Wertschätzung des Betriebs ihnen gegenüber aussieht. Wir (WfbM) haben wenigstens kleine Präsente organisiert und unter dem Stichwort Dankeschön mit Gutscheinen an sie ausgeliefert. Das hat viele gefreut. Aber es hätte ihnen besser gefallen, wenn sich die Wertschätzung auf ihrem Konto bemerkbar gemacht hätte. Die Bonuszahlungen nur für sozialversicherungspflichtig angestellte Mitarbeiter sind ein Signal, dass leider auch deutlich macht, dass BiBler eben doch noch einen eigenen Status haben, halt ein arbeitnehmerähnliches Beschäftigungsverhältnis. Das hat Vorteile, aber tatsächlich auch Nachteile. Im normalen Alltag fällt das nicht auf, in dieser Krisensituation aber eben doch und das bleibt bei allem Positiven ein Wermutstropfen.


Bayern
Susanne Niederhammer, INklusiv! Gemeinsam arbeiten, Mainfränkische Werkstätten GmbH, Würzburg

Karte Bayern
Copyright Wikipedia, CC Lizenz

In Bayern galt das Werkstatt-Betretungsverbot auch für betriebsintegrierte Arbeitsplätze (BiAps). Eine Notbetreuung in der Werkstatt haben aber nur einige unserer insgesamt 110 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genutzt. Wir haben sehr schnell digitale Angebote geschaffen, um Kontakt zu unseren Klienten übers Telefonieren hinaus zu halten, und YouTube-Videos aufgenommen, Grußworte an Mitarbeiter gerichtet, Sportübungen, Bastelanleitungen und Tipps für eine Tagesstruktur gegeben. Die nicht digital affinen haben alles auf Papier bekommen. Was gut war: Die meisten BiAps wurden – schneller als die Werkstätten – wieder hochgefahren. Für alle, die nicht zurückkehren konnten, haben wir eine Notbetreuung angeboten. Wir haben die hygienischen Bedingungen in den Betrieben einer neuen Gefährdungsbeurteilung unterzogen und mit den Arbeitgebern abgestimmt. Unsere Mitarbeiter haben sich riesig gefreut, als sie endlich wieder arbeiten durften. Auch viele Kooperationspartner sagten, sie hätten im Lockdown erst so richtig gespürt, wie sehr unsere Mitarbeiter fehlen.

Vom Sommer bis in den Herbst hinein entwickelte sich eine neue Normalität. Auch wenn die Integrationsbegleiter (IB) einige Arbeitsstätten nicht betreten durften, haben sie schnell kreative Lösungen – wie wohl überall – gefunden. Aber das Unkomplizierte unserer Arbeitsweise war weg. Wir haben zunehmend auf digitale Kommunikation umgeschaltet. Und statt einer großen Feier zu unserem 5-jährigen Bestehen im Spätsommer haben wir einen Film gedreht und ein Gewinnspiel in unserer Region ausgelost. Wir bekamen unheimlich viele Zuschriften, das war ein bunter Regenbogen in der tristen Zeit. Das zeigt uns: Wir waren trotzdem überall noch präsent. Und trotz der unsicheren Situation damals haben wir neue Kooperationspartner gewonnen.

Für alle belastend war das erneute Zurückfahren im November. Die Verschärfungen kamen schrittweise, niemand wusste, was morgen noch funktionieren würde: Nichts war planbar. Im zweiten Lockdown sind zum Glück die BiAps nicht betroffen, und insgesamt haben wir von den Verschärfungen nur wenig gespürt. Unsere Mitarbeiter arbeiten weiterhin in Seniorenheimen, allerdings nicht auf den Corona-Stationen. Auch in Kitas helfen sie bei der Notbetreuung, im Baumarkt und auch im Lebensmittelhandel. Der Dienstleistungssektor, den wir abbilden, ist zum Glück relativ unbeschadet. Einige Praktika ließen sich nicht in BiAps umwandeln, obwohl es gut dafür aussah. Manche Arbeitgeber waren verunsichert wegen des erneuten Lockdowns. Die Erstgespräche mit Interessenten für BiAps ziehen sich zurzeit ewig, wir können momentan nicht in gleicher Qualität sozialraumorientierte Begehungen machen. Es wird lange dauern, bis wir mit unserer Methodik wieder das Ziel erreichen, um an feste Kooperationsvereinbarungen zu kommen. Und vieles geht nicht digital. Zum Beispiel das sogenannte Heimspiel, der erste Meilenstein für einen zu uns wechselnden Mitarbeiter, der seinen engsten Unterstützerkreis einlädt und mit ihm überlegt, wohin es für ihn gehen könnte. Auch das Miteinander im Sozialraum fehlt uns sehr. Netzwerken per Video geht zwar auch, aber das Persönliche fällt weg.

Die IBs versuchen, alles was geht, im persönlichen Kontakt zu besprechen. Viele Themen brechen jetzt bei Klienten auf: Mit Corona kommen unterschwellig vorhandene Ängste hoch. Das erfordert von den IBs sehr viel Geschick, Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen. Sie müssen die Balance halten und ihre Klienten weiterhin motivieren, zur Arbeit zu gehen und ihren neuen Alltag zu leben. Das geht an ihnen aber auch nicht spurlos vorbei. Sie tragen das mit ganz viel Fassung, aber es ist extrem anstrengend. Ein Fahren auf Sicht.

Wir haben bislang zwei auf das Coronavirus positiv getestete Mitarbeiter, die sich im privaten Bereich infiziert haben. Zum Glück konnte aufgrund der Schutz- und Hygienekonzepte bisher eine Ausbreitung im Betrieb jeweils verhindert werden. Bei der Hauswirtschaft in Wohnheimen oder der Arbeit in Seniorenheimen werden unsere Mitarbeiter wie alle anderen vom Arbeitgeber regelmäßig getestet. Für die Impfung wünschen wir uns mobile Impfteams. Und wir freuen uns darüber, dass unsere Mitarbeiter, die in die Pflege involviert sind, im Betrieb mitgeimpft werden. Schön wäre es, wenn wir endlich wieder in den sozialraumorientierten Alltag starten könnten. Aber da heißt es erst mal noch abwarten.


Hamburg
Kai Westendorf, integrationsservice arbeit (isa), alsterarbeit gGmbH

Karte Hamburg
Copyright Wikipedia, CC Lizenz

Auch in Hamburg galt im ersten Lockdown ein Betretungsverbot für Werkstätten, das erstreckte sich auch auf die betriebsintegrierten Arbeitsplätze. Für unsere Beschäftigten war das Thema Corona sehr bewegend: Ganz plötzlich gab es für sie keine Arbeit, keine Tagesstruktur und keine Kontakte mehr: "Und warum dürft ihr arbeiten, wir aber nicht?" Die Jobcoachs waren schwer eingebunden und fanden sich oft zugleich in der Rolle des Seelsorgers wieder. Seit dem ersten Lockdown arbeiten sie meist im Homeoffice. Dennoch machen sie auch Treffen mit BiAps-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern möglich, mit Abstand an der frischen Luft, damit soziale Kontakte nicht komplett wegbrechen. Über den Sommer hat sich die Lage deutlich entspannt, die Erleichterung war groß, als das Betretungsverbot in Hamburg endlich wieder aufgehoben wurde. Die Rückkehr auf die BiAps war aber in Unternehmen schwierig, die in Kurzarbeit gingen. Was allerdings auch möglich war: Im ersten Lockdown haben wir sogar noch Budgets vermittelt, zum Beispiel gleich zwei in einem Unternehmen im Technikbereich.

Im zweiten Lockdown durften die BiAps-Mitarbeiter selbst entscheiden, ob sie arbeiten oder ob sie lieber vorsichtig sein und nicht arbeiten wollten. alsterarbeit entwickelte ein gemeinsames Schutzkonzept für Wfbm und BiAps. Das hat erstaunlich gut und schnell gewirkt, bislang gibt es keine nachweisbaren Infektionen über die Arbeit. Viele Unternehmen haben gleich unser Schutzkonzept komplett übernommen. Außerdem haben die Unternehmen ganz flexibel Arbeitszeiten verschoben, damit unsere Mitarbeiter nicht zu Stoßzeiten in Bus und Bahn sitzen müssen. Und wenn Unternehmen nicht selbst Testungen anbieten, können alle BiAps-Mitarbeiter sich in allen Betriebsstätten testen lassen. Gleichzeitig sind wir mit den zuständigen Stellen im Gespräch, damit isa-Beschäftigten, die in gefährdeten Betrieben wie in Seniorenheimen arbeiten, ein Impfangebot gemacht wird.

Im zweiten Lockdown haben wir einige Unternehmen verloren: Sie existieren nicht mehr. Andere wiederum pausieren. Wenn sie wieder starten, werden auch die BiAp-Plätze wieder hochgefahren. Schwieriger gestaltet sich die Neuakquise, wir bekommen oft zu hören: Inklusion machen wir dann nach Corona. Zugleich sagen uns Arbeitgeber aber auch: "Jetzt haben wir Zeit, uns um einen Mitarbeiter auf einem BiAp zu kümmern, weil wir vieles runtergefahren haben." Insgesamt gibt es viel Rücksichtnahme auf Seiten der Arbeitgeber. Seit der Krise, das ist meine Erfahrung, nehmen die Unternehmen ihre Verantwortung ernster.

Auch die Einstellung zur Arbeit haben viele BiAp-Mitarbeiter verändert: Sagten sie früher: "Ich will unbedingt hier oder dort arbeiten!", sagen sie heute eher: "Mir fällt die Decke auf den Kopf, ich brauch Kontakte!" Sie haben erfahren, wie wichtig Arbeit dafür ist. Waren oder sind Betriebe geschlossen, warten BiAps-Mitarbeiter meist zu Hause auf neue Angebote, nur vereinzelt sind sie in die Werkstatt zurückgekehrt.

Im Moment boomen Handwerk, Lager- und Logistikbereich samt Onlineversand, Gesundheit und Supermärkte. In Seniorenheimen laufen unsere BiAps genauso weiter wie in den Friedhofsgärtnereien und Pferdehöfen. Insgesamt ist es nicht zu dem befürchteten Einbruch bei den Arbeitsplätzen gekommen. Welche der jetzt geschlossenen Unternehmen nach der Krise die Arbeit wieder aufnehmen, müssen wir abwarten. Auch die Arbeit der Jobcoachs ist nicht weniger geworden. Und es ist erstaunlich zu sehen, wie wenig kompliziert "Blitzdigitalisierung" sein kann, wenn es sein muss.

Aus dem ersten Lockdown haben wir viel gelernt, wir mussten natürlich auch viel üben und nicht alles ist auf Anhieb richtig gelaufen. Den richtigen Umgang mit "Hygiene" haben wir in der entspannten Phase im Sommer gut mit unseren Mitarbeitern geübt. Wir wollen noch individueller arbeiten. Zum Beispiel sieht die Antwort auf die Frage an Psychiatrie-Erfahrene: Was braucht ihr? in Pandemie-Zeiten ganz anders aus. Für eine weitreichende Digitalisierung haben wir die Voraussetzung geschaffen, das ist noch nicht optimal, aber viel besser als am Anfang. Einerseits darf man die Vorsicht nicht vergessen, aber die Gelassenheit muss man jetzt auch bewahren. Was ich schade finde: dass Fortbildungen, Lobbyarbeit, Netzwerken auf der Strecke bleiben.


Mein Fazit: Hut ab vor der Fürsorge und dem Verständnis bei den Unternehmen. Blitzdigitalisierung kann klappen! Jobcoachs leisten eine tolle Arbeit! Arbeit hat sich in den Wünschen der Beschäftigten verändert: Wichtig ist heute, in Kontakt zu sein. Das Wo ist dabei sekundär.


Online-Diskussionsforum im Februar

Im letzten Jahr haben wir es angefangen, nun geht es weiter: Am 23. Februar (10-12 Uhr) findet unser bereits zweites Online-Diskussionsforum statt. Dieses Mal fragen wir ganz gezielt nach den Folgen der Corona-Krise für betriebsintegrierte Arbeitsplätze in Senioren- und Pflegeheimen. Am Anfang des zweistündigen zoom-Forums zeigen zwei Kollegen aus unterschiedlichen Einrichtungen, wie sie "Außenarbeit" für Menschen mit Behinderungen unter Corona-Bedingungen hinbekommen haben. Erfahrungsaustausch, Netzwerken, Mut machen, Projekte und Ideen einbringen, Fragen stellen und Tipps geben: Viel Unterstützung und im besten Sinne Peerarbeit für einen gelingenden Arbeitsalltag.

Das moderierte Onlineforum ist kostenfrei, Anmeldungen formlos an die Geschäftsstelle bis 21. Februar.



Jahrestagung 2021

Deutschland befindet sich im zweiten Lockdown, und wie lange er anhalten wird, kann heute niemand seriös beantworten. Für eine bessere Planbarkeit haben wir uns entschlossen, sowohl Jahrestagung als auch Mitgliederversammlung in diesem Jahr nicht als Präsenzveranstaltungen, sondern als Onlinemeetings durchzuführen.

Die Jahrestagung findet unter dem Titel Betriebsintegrierte Berufsbildung – das Tor zur Vermittlung. Wie sie gelingt und was sie bringt am Montag, den 21. Juni 2021, von 9 bis ca. 16 Uhr als Zoom-Konferenz statt. Alle Programmteile der Präsenzveranstaltung bleiben erhalten, nur die drei Parallel-Workshops werden dieses Mal nicht (wie sonst) wiederholt, dafür aber als Mitschnitte den Teilnehmerinnen zur Verfügung gestellt.

Für Mitglieder ist die Tagung kostenfrei, Nichtmitglieder entrichten eine Schutzgebühr von 50 Euro zzgl. MwSt.

Weitere Informationen und Anmeldungen über unsere Website.



Mitgliederversammlung 2021

Die Mitgliederversammlung findet einen Tag später, am Dienstag, den 22. Juni 2021, von 13 bis 15 Uhr ebenfalls als Zoom-Konferenz statt. Anmeldungen bitte formlos über die Geschäftsstelle per E-Mail.

Termine:
Jahrestagung: Montag, 21. Juni 2021, 9 bis 16 Uhr
Mitgliederversammlung: Dienstag, 22. Juni 2021, 13 bis 15 Uhr


Wir hoffen, dass Sie so gut als möglich durch diese anstrengende und fordernde Zeit kommen und vor allem: dass Sie gesund bleiben!