und als Vertreter des Martinsclubs im Sozialraum Kattenturm,
habe ich mich unter die Teilnehmenden gemischt, um nach neuen Impulsen zu suchen und mich
auf den neuesten Stand zu bringen.
So ganz neu waren mir die von Hinte postulierten Prinzipien der Sozialraumorientierung zwar
nicht, zumal sie ja am Anfang des entsprechenden m|colleg-Lehrgangs gestanden hatten. Doch
sie noch einmal vom "Vater der Sozialraumorientierung" persönlich erklärt zu bekommen, der
dies auf höchst unterhaltsame Weise zu tun imstande ist, war zum Einen eine Frische-Kur für
die eigene Arbeitshaltung und zum Anderen eine Überprüfung: Sind wir auf dem richtigen Weg?
Wo schrammen wir haarscharf am Ziel vorbei? Hören wir gut genug hin, wenn es darum geht den
Willen eines Menschen heraus zu finden, der laut Prinzip 1 ungleich mächtiger ist als der
bloße Wunsch? Und ja, der Weg, den wir im Bremer Süden gehen, ist meines Erachtens goldrichtig,
insbesondere im Hinblick auf die vielen starken Kooperationen, die wir aufgebaut haben; mit
diesem Gefühl im Gepäck, konnte ich wieder nach Bremen zurückkehren. Doch niemand ist perfekt
und gerade im Alltagsgeschäft, im Kreuzfeuer der Sorgen und Nöte im Quartier, lohnt es sich
immer wieder zu überprüfen und sich wenn nötig auch mal auf die Finger zu hauen!
Die Teilnahme an zwei weiteren Workshops war noch drin und als erstes suchte ich mir
folgenden aus: "So funktioniert Sozialraumorientierung". Hinter diesem selbstbewußten
Titel verbarg sich beeindruckendes Beispiel einer Kooperation zwischen Leistungserbringern
und Kostenträger oder anders gesprochen, das "Modellprojekt Sozialraumorienterte
Eingliederungshilfe in Nordfriesland". Hier berichteten Isgard Terheggen (Fachdienst
Soziales und Senioren, Husum) und Thomas Stengel (Mürwicker Werkstätten, Flensburg) von
einem Finanzierungsmodell, welches auf Einrichtungsbudgets basiert, anstatt auf einer rein
defizitorientierten Einzelfallbetrachtung. Dieses Modell funktioniert wirklich und wurde vor
ein paar Jahren gemeinsam entwickelt aus einer "Atmosphäre der geschärften Messer und
heruntergeklappten Visiere". Mittlerweile ist hier spürbar Vertrauen aufgebaut worden, was
sich gerade auch an dem gemeinsamen Vortrag der Protagonisten gezeigt hat. Hochinteressant!
Den Abschluss für mich bildete der Workshop "Sozialraumorientierte Zukunftsplanung -
Koordination von Lebenswelten". Letztlich war dies ein Bericht über den steinigen Weg der
Ambulantisierung einer Komplex-Einrichtung mit vielen hunderten von stationären Plätzen.
Frank Keller vom Geschäftsbereich Behindertenhilfe der Diakonie Hephata spricht aus Erfahrung,
wenn er fragt: "Hast du schon mal versucht barrierefreien Wohnraum auf dem platten Land zu finden?"
Ob das hessische Land wirklich so platt ist, sei mal dahin gestellt, für den Wohnraum muss man
sicherlich einige Hebel in Bewegung setzen. Die Methode der Persönlichen Zukunftsplanung ist ein
Mittel, um hier an den "Willen" der BewohnerInnen zu kommen. Diese bekommen auch Fortbildungen,
um mit ihrer neuen Freiheit umgehen zu lernen. Das beginnt bereits bei dem Umstand, dass viele es
gewohnt waren, im Einrichtungs-eigenen Laden einzukaufen und auf einmal mit dem Sortiment eines
Discounters konfrontiert sind.
Da die Tagung ein wenig unter dem Schatten gewalttätiger Proteste gegen den Neubau der Europäischen
Zentralbank stand, mußten wir sehr pünktlich Schluss machen. Die Straßenbahn fuhr nicht mehr, da
bereits Steine gegen manche Züge geflogen waren und so wurden uns schnell ein paar Taxen besorgt,
die uns zum Bahnhof brachten, gerade bevor der Verkehr in der City gänzlich zum Erliegen kam. Ich
habe einige neue Eindrücke mit nach hause genommen und kann mich über eine toll organisierte Tagung
freuen, die inhaltlich einen starken Eindruck hinterlassen hat. Der Standort der Tagung lag übrigens
im Stadtteil Niederrad. Eine Bekannte, die seit neuestem dort wohnt, meinte, das sei “ein bisschen
wie das Kattenturm von Frankfurt“. Stimmt, war tatsächlich ein bisschen wie zuhause.
Marco Bianchi
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